Chart News
verfasst von OLJO-Team

Nur Kosmetik: Deutsche Musikindustrie passt Single- und Album Chartermittlung zum Teil an

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Zum 01.06.2012 werden die von der Firma Media Control für zahlende Kunden erstellte Tonträger Verkaufslisten ein paar neue Regelungen erhalten. Wichtigste, aber auch einzigste Änderung erfährt die in letzter Zeit scharf kritisierte Anmeldepflicht zur Chartermittlung. Diese Album- und Single Anmeldepflicht der Plattenfirmen wird zum 01.06.2012 abgeschafft.
Wie schon seit Jahren in den USA, England und u.a. Schweden üblich sind ab dem genannten Zeitpunkt automatisch alle Tracks automatisch für die Chartermittlung zugelassen. Es wird daher ab dem 01.06.2012 möglich sein, dass Albumtitel mitunter zahlreich in den Single Charts vertreten sein werden. Es könnte aber auch sein, dass ab dem 01.06.2012 die Einzeltrack Downloadmöglichkeit von Albumtiteln von der Industrie durch Sperrungen behindert werden wird. Das ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber möglich wäre es.
Ebenfalls geändert wird, dass nun auch Download-only Alben ohne Anmeldung gezählt werden.

 
Nicht geändert ist: der Grundsatz Umsatz statt Stückzahlen bleibt in den deutschen Charts von MC weiter gültig!
Erwartungsgemäß nicht abgeschafft wurde das im Ausland (u.a. USA und Großbritannien) unübliche Umsatzermittlungsverfahren. Anders als im Anglo-amerikanischen Ausland, wo das unserer Ansicht nach kundenfreundlichere Stückzahlenermittlungsverfahren üblich ist, werden in Deutschland die selbsternannten ‚offiziellen‘ Charts weiterhin, sowohl bei den Albumcharts, als auch bei den Singlecharts nach einer Umsatzregelung ermittelt (grob gesagt Stückzahl mal Preis). Nur etwa zwei Drittel aller Tonträgerverkäufe werden laut MC überhaupt erfasst. Immerhin ein ganzes Drittel nicht!
Die verkauften Stückzahlen bleiben bei der deutschen Musikindustrie ein weiterhin peinlich gut behütetes Geheimnis.
Die Anpassung der Chartermittlung ist daher enttäuschenderweise weitgehend nur von kosmetischer Natur. Weiterhin unfair bevorteilt sind überteuerte Tonträger, die eher von ‚hardcore‘ Fans gekauft werden. Tonträger, die zu attraktiven Niedrigpreisen gekauft werden, erfahren auch in Zukunft in der Chartermittlung der deutschen Musikindustrie eine absolut unangemessene Benachteiligung.
Wir meinen jeder Kauf und jeder Käufer ist gleich viel Wert. Hauptsache muss sein, dass überhaupt gekauft wird. Das scheint man in der deutschen Musikindustrie ganz anders zu sehen. Ein unklares Verhältnis der deutschen Musikindustrie zu den eigenen Kunden ist auch auf anderen Feldern der Musikverwertung und dergleichen jeden Tag mitunter unangenehm für den Konsumenten zu spüren (Stichwort Youtube Sperrungen, die von der Industrie veranlasst werden). Das Hegen-und-Pflegen der Kundschaft ist bei der Musikindustrie leider nicht die oberste Maxime. Gerne jedoch verdächtigt man ersteinmal ‚alle‘ des potentiellen Diebstahls. Das passt nicht zusammen.

 
Ungünstig und undurchsichtig bleibt es vor allem in der berüchtigten Singlecharts Ermittlung!
Folgende Abgleichungskoeffizienten gelten weiterhin:
Kategorie / Durchschnittliche Track-Anzahl
Singles-Gruppe / 2,3 (2-Track CD Singles, können auch sogenannte ‚Premium ‚Singles sein!)
Maxi-Singles-Gruppe / 4,2 (klassische Multi-Track CD Singles mit 3 bis 5 Tracks)
Download Tracks / 1,0
Download Singles Bundles / 2,3 (digitale Multi Track Singles)


 
Der Preis einer Single wird durch den oben genannten Faktor geteilt. Die einzelnen Tracks einer Single fliessen dann mit dem errechneten Ergebnis in die Charts sein.
So wie wir das verstehen werden nur titeltragende Tracks der Singles (und unserer Meinung nach nicht auch deren Abwandlungen = Remixe, oder z.B. instrumental Versionen) in die Track Ermittlung einbezogen.
Die Anzahl von Titeln auf einer Single darf 5 und die Gesamtspielzeit darf 23 Minuten nicht überschreiten. Ab 23Min 1 Sec und/oder 6, oder mehr Titeln, gilt eine Single automatisch als Album.
Beispiel A:
Luca Hänni Maxi CD (Premium) Don’t Think About Me kostet 6,99€ (Amazon)
Die Single enthält den Orginalsong und eine Abwandlung. Jeder Track wird mit 6,99/2,3 bewertet.
Ergebnis: 3,03 €, da nur der titelgebende Track gezählt wird, Abwandlungen (Remixe/Instrumentals) jedoch nicht.
Verkaufsvorgang nach Stückzahl= 1!
Luca Hänni Maxi CD (2-Track) Don’t Think About Me kostet 3,99€ (Amazon)
Die Single enthält den Orginalsong und eine Abwandlung. Jeder Track wird mit 3,99/2,3 bewertet.
Ergebnis: 1,74 €.
Verkaufsvorgang nach Stückzahl= 1!
Beispiel B:
Alex Clare Maxi CD (2-Track) ‚Too Close‘ kostet 4,99€ (Amazon)
Die Single enthält den Orginalsong und eine Abwandlung. Jeder Track wird mit 4,99/2,3 bewertet.
Ergebnis: 2,17 €.
Beispiel C:
Alex Clare digitale Single (2-Track) ‚Too Close‘ kostet 3,99€ (Amazon)
Die Single enthält den Orginalsong und eine Abwandlung. Jeder Track wird mit 4,99/2,3 bewertet.
Ergebnis: 1,74 €.
Verkaufsvorgang nach Stückzahl= 1!
Beispiel D:
Cro digitale Single (2-Track) ‚Easy‘ kostet 2,77€ (Amazon)
Die Single enthält den Orginalsong und eine Abwandlung. Jeder Track wird mit 2,77/2,3 bewertet.
Ergebnis: 1,20 €.
Verkaufsvorgang nach Stückzahl= 1!

 
Zusammengefasst: Eine Single CD erreicht nach dem handelsüblichen Preis von 6,99€ im Einzelhandel eine Bewertung von 3,03€ in der Chartermittlung. Der Überbewertungsfaktor gegenüber der Stückzahlenermittlung erreicht den Faktor 2,7. (bei einem Durchschnittspreis von Einzeldownloads von 1,12€). 5.000 im Einzelhandel verkaufte Maxi CD entsprechen daher 13.500 verkauften Downloads. Das ist natürlich purer Blödsinn….

 
Schmallippig gibt man sich auch in den ab dem 1. Juni geltenden Regeln was denn sogenannte qualifzierte Verkäufe sind und wie die Kontonummern und gar die Postadressen der Käufer abgeglichen werden (Pflicht ist zudem eine ‚deutsche Postadresse‚, damit ein Kauf auch gezählt wird…). Es wird in den Regeln behauptet der Firma MC würden alle Emailadressen und Kontonummern der Käufer von Tonträgern bei Onlineshops in ‚verschlüsselter‘ Form übermittelt (was auch immer das heissen soll). Käufer von digitalen Tonträgern müssen zudem eine ‚deutsche Postadresse‚ haben.
Die ‚verschlüsselten‘ von den Online-Händlern überspielten Datensätze würden ’nächträglich‘ (also mitunter erst Wochen nach der Charterstellung?) auf Unstimmigkeiten hin überprüft. Die Überlassung von Emailadressen und Kontodaten (selbst wenn ‚verschlüsselt‘) entspräche aber eigentlich nicht einem kundenfreundlichen Umgang der Online-Händler mit streng zu schützenden Daten. Verschlüsselte Daten könnten unter Umständen von Dritten durch einen Einbruch in des MC Datensystem, oder in die Übermittlungskanäle entschlüsselt und für eigene Zwecke missbräuchlich genutzt werden. Interessieren würde es uns auch, wie denn MC die ‚deutschen Postadressen‘ der Käufer feststellt. Werden Download Käufe von Kunden, die eine nicht unübliche .com Emailadresse haben etwa nicht gezählt? …Da besteht ein erheblicher Aufklärungsbedarf!
Fazit: die MC Charts lassen auch nach dieser rein kosmetischen Regeländerung an Aussagekraft vermissen. Oder: warum etwas einfach machen, wenn es auch mega kompliziert geht!…
Die ab dem 01.06.2012 geltenden Chartregeln sind hier öffentlich einsehbar Viel Spaß beim ‚Durchsteigen‘ 🙂

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Guy Incognito
Guy Incognito
20. Mai 2012 10:30

Wo kann man denn bei Simfy Songs kaufen? Das ist mir irgendwie noch nie aufgefallen. Aber naja, mein Premium-Abo läuft jetzt auch aus und Free kann man das ja eh nicht mehr benutzen.
.
Mit der Werbung bei Streamingdiensten habt ihr natürlich recht. Bei Amazon etc. gibt es zwar auch Werbung. Aber der Weg von einer Anzeige bis zum Anhöen ist deutlich kürzer als von der Anzeige zum Kauf. Andererseits hätte ein Streaming-Play ja auch einen weit geringeren Wert als ein Download. ZB 100 Streams = 1 Download, oder noch mehr sogar. Aber gut, darüber müssen wir uns die nächsten Jahre noch keine Gedanken machen.

Guy Incognito
Guy Incognito
18. Mai 2012 18:13

Ja, Abmeldungen waren zumindest in der Form bisher nicht möglich. Wobei zumindest im Fall von Rihannas „You Da One“ irgendwas in der Art geschehen sein muss, weil dort ja eine CD erschienen ist. Grundsätzlich hat sich schon was geändert. Vorher mussten die Labels aktiv werden, um Songs in die Charts zu bringen, jetzt müssen sie aktiv werden, um das zu verhindern. Tut jemand also gar nichts steigt der Song im Gegensatz zu vorher ein, was sicher zu einer höheren Anzahl an Download-Einsteigern führen wird. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass zB Universal alle neuen VÖs erstmal abmeldet und die ersten Verkäufe abwartet. Erst, wenn diese gut laufen, wird dann die erneute Anmeldung vorgenommen. Ich hoffe natürlich, dass dies nicht so passieren wird, aber wir kennen unsere Labels ja inzwischen… . Zu den Preisen: Bei den DSDS-Siegern habt ihr doch immer kritisiert, dass diese billig verramscht werden, nur um höhere Verkaufszahlen zu bekommen. Vor 2 Jahren gab es ja auch mal die Aktion bei Media Markt, wo eine Reihe von aktuellen Hits für 5 Cent verkauft wurden. So etwas würde bei rein verkaufsbasierten Charts dazu führen, dass diese Songs komplett die oberen Ränge belegen würden. So etwas würde die Charts… Weiterlesen »

Guy Incognito
Guy Incognito
18. Mai 2012 12:38

Dem Artikel ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Erfreulich ist natürlich, dass die Pflicht zur Anmeldung abgeschafft wurde. Ärgerlich dagegen, dass es stattdessen jetzt eine Möglichkeit zur Abmeldung gibt. Wenn die Labels also wollen, läuft alles so weiter wie bisher, und wichtige aktuelle Vs tauchen nicht in den Charts auf. Wie sie es ltztlich handhaben werden wir bald sehen, aber ich befürchte schlimmes.

Mit der Umsatzregelung bin ich auch nicht glücklich, allerdings macht sie zumindest teilweise Sinn. Wenn man sieht, wie stark die auf 0,69 reduzierten Songs bei iTunes immer steigen, ist es richtig, das irgendwie rauszufiltern, da die Charts sonst zu leicht verfälscht werden können. Dagegen sollten aber übermäßig teure Titel (wie 100€-Special Editions oder besagten 7€-DSDS-2Track-Singles) rausgerechnet werden. Mein Vorschlag wäre daher, die Charts zwar weiter nach Umsatz zu berechnen, aber die obere Wertungsgrenze nicht wie bisher auf 100€ zu setzen, sondern auf den Normalpreis einer aktuellen VÖ – also 15€ bei Alben, 1€-1,30€ bei Singles. Aber naja, das wird wohl nie passieren.

Charter
Charter
18. Mai 2012 00:03

@Monty: Soweit ich mich erinnere wäre Jedward irgendwo bei Platz 7 oder 8 gelandet und nicht auf Platz 1 oder? Somit ist der Jedward-Fall nur einer von diversen Songs denen eine oder mehrere Wochen Top 20 verwehrt blieben. Da gab es in den letztzen 2 Jahren bestimmt noch weit über 30 andere Songs.

Deutschi
Deutschi
17. Mai 2012 22:30

Hi Dean, selbstverständlich bin ich auch gegen Monopole und Informationsverknappung jedweder Art. Die Entwicklung in Schweden ist für den Musikmarkt eine schlichte Katastrophe, daher lehne ich solche Streaming-Dienste kategorisch ab. Mit dem ganzen Abokram will ich nichts zu tun haben. Mit Werbung dürft ihr gern mehr verdienen, da habe ich kein Problem mit. Selbstverständlich muss es das oberste Ziel sein, die Verkaufszahlen zu erhöhen, nur glaube ich eben nicht, dass man das damit erreicht, jeden Kaufvorgang als gleichwertig zu bewerten. Dem geneigten Musikkäufer wird es eher herzlich egal sein, wer gerade oben in den Charts steht. Er wird das kaufen was ihm gefällt. Das größte Problem ist, dass vor allem auch in Deutschland viel zu wenig gute Musik überhaupt bekannt ist. Was man nicht kennt, kauft man nicht. Zum Thema Datenschutz: die verschlüsselte Weitergabe von Daten ist heute gang und gäbe. Wichtig ist doch nur, dass es bei einer Verschlüsselung bleibt. Wer mit einem Smartphone agiert, im Internet einkauft oder bei facebook all seine uninteressanten Tätigkeiten postet, dem kann der Datenschutz nicht besonders wichtig sein. Das Gejammere über bspw. die Vorratsdatenspeicherung ist dann völlig unangebracht. Das ihr euch zu wichtig nehmt, hatte ich daraus geschlossen, dass ihr Bedenken habt, MC… Weiterlesen »

Monty
Monty
17. Mai 2012 21:25

Hey Oljo-Team, wenn es wirklich so ist, dass Download-Shops meine Daten an MC weitergeben müssen, wäre das eine verdammte Sauerei! Was gibt MC das Recht persönliche Daten abzufregen, -gleichen?? Dass man somit Betrug vorbeugen will, kann ich im Ansatz ja verstehen. Aber ich finde, dass es die Aufgabe der Download-Shops sein sollte, meine persönlichen Daten zu kontrollieren – und sie nicht an Dritte weiterzureichen. Denn ich habe keine Kaufvertrag abgeschlossen, der beinhaltet, dass meine Kreditkarten-Daten und mein Wohnort an ein chartermittelndes Unternehmen weitergereicht werden darf. Ich finde aber auch, dass diese „kosmetische Änderung“ gar nicht mal so „kosmetisch“ ist. Denkt doch nur mal an letztes Jahr, als Jedward von Universal einfach zwei Wochen später angemeldet wurde und somit der erste Platz in den Single-Charts verwehrt geblieben ist. Zumindest das dürfte doch nach dem 1. Juni der Vergangenheit angehören. Ich sehe aber Eure Äusserung, dass das Interesse des Käufers oberste Priorität haben sollte etwas kritisch. Denn die Musikvertriebsindustrie besteht auch aus nichts anderem als kapitalistisch agierenden Unternehmen. Natürlich finde ich es aber auch fragwürdig, wie die Preispolitik hier ist. Wobei ich als – Jemand, der immer noch ausschliesslich Alben als physischen Tonträger kauft (und das nicht aus der Not nicht mit… Weiterlesen »

Nik
Nik
17. Mai 2012 16:24

Call Me Maybe auf #1 in USA, Gratulation. Megahit Somebody That I Used To Know verdrängt.

Zum Thema. Ich finde die kleine Änderung ist doch schon mal ein richtiger Schritt. Außerdem wurde die Anmeldepflicht in letzter Zeit von vielen doch oft kritisiert. Hätte man das nicht schon eher einführen können? We Are Young oder auch Call Me Maybe hätten viele Top 20 Wochen mehr gehabt.

Bin sehr gespannt wie sich diese Änderung auf die Charts auswirken wird, vor allem bei erfolgreichen Albumveröffentlichungen mit mehreren komerziell erfolgreichen Lieder.

LG Nik

Mr Curiosity
Mr Curiosity
17. Mai 2012 13:56

Hallo Salem,

genau, ich wollte wissen wann es eine Maxi-CD geben wird und ob Loreen erst von dieser Neuregelung profitieren muss um in den Charts gelistet zu werden. 🙂
Hoffe, dass oljo.de-Team sieht meinen Beitrag! 😉