Gestern startete im Pro 7 Fernsehen die Musik Castingshowserie Unser Star Für Baku (USFB 2012). In der Sendereihe geht es darum den deutschen Kandidaten für das Eurovision Song Contest Finale 2012, das im Mai in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku veranstaltet werden wird, zu finden. USFB 2012 wird von den TV Sendern ARD und Pro7 in einer Gemeinschaftsarbeit ausgestrahlt. Auch die Pop Radiowellen der ARD sind in gewissen Umfang an der medialen Verbreitung der Show beteiligt.
Zum chronologischen Ablauf der Show:
Zunächst liefen die beiden neuen Moderatoren Steven Gätjen und Sandra Riess ein. Beide schienen für unseren Geschmack eine vergleichsweise gute Wahl zu sein. Es gibt zwar sicher auch Bessere, aber bestimmt auch viele Schlechtere.
Die Moderatoren stellten dann die 3 festen Jurymitglieder von Unser Star Für Baku vor. Das sind Alina Süggeler (Sängerin der Band Frida Gold), Stefan Raab (Fernsehmoderator, Sänger und Songschreiber) und Thomas Dürr (Mitglied der HipHop Formation Die Fantastischen Vier). Thomas D ist der angebliche Jurychef.
Die Vorstellung der Live Band haben wir entweder verpasst, oder die fand gar nicht statt…
Nach der Jury holten die Moderatoren dann die 10 Kandidaten auf die Bühne, die um einen der 5 Plätze, die für die nächste Runde frei waren, konkurrieren sollten. Alle 10 stellten sich in einem kurzen je etwa 1 Minute dauernden Statement vor.
Danach waren die Leitungen zum Voting freigeschaltet. Das wurde nun das Sympathie Voting genannt. Derjenige der nach Ablauf einer gewissen Zeit die wenigsten Anrufe der Zuschauer erhielt (und fortan sogar von den Moderatoren indirekt als ‚unsympathisch‘ eingestuft wurde), musste als erster auf die Bühne und seinen Song singen. Derjenige mit den meisten Stimmen durfte als Letzter auftreten, was man wohl als Vorteil ansah (in Wirklichkeit aber keiner war).
Bewertung: Das Sympathievoting kann man eigentlich gleich mal in die Tonne treten. Die Kandidaten jedoch trugen es mit bemerkenswerter Lässigkeit.
Nun folgten die 10 Gesangsvorträge.
Dabei muss angemerkt werden, dass quasi während der gesamten Sendung die sogenannte Blitztabelle, d.h. das Ranking der 10 Protagonisten, ständig links eingeblendet war. Die Tabelle füllte fast ein Drittel des Bildschirms und umfasste die aktuelle Platzierung, den Namen, die zweistellige Rufnummernendung und den aktuellen Prozentanteil inklusiver grafischer Darstellung desselben.
Als erste musste die im Sympathieranking zu Anfang auf den letzten Platz geratene Katja Petri (24) aus Berlin auf die Bühne. Sie sang den aktuellen Bruno Mars Hit Marry You. Am besten war Katja in den Passagen in der sie quasi unplugged nur mit eigener Gitarrenbegleitung sang. In den von der guten Studioband begleiteten Stellen des Vortrages sah Katja unseres Erachtens aber nicht so gut aus. Am Ende meinen wir auch leichte Schwächen in ihrer Gesangsperformance ausgemacht zu haben. Die Jury gab ihr ein ‚Daumen hoch‘.
Startplatz 2 ging an Jan Verweij (21) aus Mönchengladbach. Er wirkte fahrig bis nervös. Er sang den schwierig zu performenden Rocksong Closer To The Edge der Band 30 Seconds To Mars. Sein Auftritt musste man als schlecht gelungen einordnen. So sah es neben der Jury auch das votende Publikum. Jan schien lediglich ‚Füllmaterial‘ gewesen zu sein. Obwohl von der Jury in diese Top 10 eingeladen, gab die Jury ihm nicht den Hauch einer Chance.
Dritte auf der Bühne war dann Leonie Burgmer (21) aus Essen. Ihre Interpretation des Amy Winehouse Songs Stronger Than Me wirkte professionell. Das jazzig angehauchte Arrangement des Songs konnte durchaus gefallen. Leonie verfügt über eine leidlich gute Stimme, die jedoch einen speziellen Wiedererkennungsfaktor vermissen liess. Die junge Sängerin, die als ‚blonde Lena‘ durchgehen könnte, erhielt von der Jury ausserordentlich viel Lob.
Startnummer 4 hatte Yasmin Gueroui (22) aus Würzburg inne. Sie sang das von der britischen Sängerin Lily Allen bekannte Lied Not Fair. Der undankbare Song war klar der Falsche für Yasmin. Ihr Auftritt war so la la. Da war nichts, was einem besonders auffliel, weder negativ noch positiv. Die Jury mäkelte sogleich denn auch an der Songauswahl herum. Das war im Grunde das ‚Aus‘ für Yasmin. Im Voting hatte sie keine Chance. Ihr Name wurde, bis auf einmal von Alina, im späteren Verlauf des Abends von der Jury nie wieder erwähnt. Auch sie kam uns als ‚Füllmaterial‘ vor.
Startplatz 5: Kai Nötting (21) aus Siegen (bzw. Iserlohn). Er gab eine ganz gut arrangierte Version des Usher Hits More zum Besten. Der pummelige Bartträger mit der so angesagten Indoor-Strickmütze konnte gefallen. Bestimmte Tonlagen (nämlich die schwierigeren Höheren) versuchte Kai geschickt zu Umschiffen. Kai erhielt reichlich Lob von der Jury. Er wurde vom votenden Publikum als ‚zu den Top 5 gehörig‘ auserkoren. Das zeigte sich im späteren Verlauf des Votings deutlich. Gereicht hat es dann aber doch nicht.
Sechste war dann die aus Coburg (Bayern) stammende Sängerin Shelly Phillips (19). Die einen schlichten und schlabberigen ‚Ganzkörpersack‘ tragende Gymnasiastin versuchte sich an dem sehr bekannten Amy Winehouse Hit Valerie. Der Vortrag gelang Shelly zwar nicht ganz so pralle, aber immerhin setzte sie gute eigene Akzente in ihrer Interpretation des Songs. Etwas verwundert waren wir über die ausgesprochene Begeisterung der Jury. Die Shelly wollte die Jury unbedingt weiterhaben, aber so was von. Das merkte man vor allem im weiteren Verlauf der Sendung. Traurig aber wahr: Uns entging das von der Jury gelobte so Spezielle an Shelly.
Startplatz 7 gab es für den türkischstämmigen Salih Özcan (23) aus Nürnberg. Er versuchte sich an dem sehr schwer zu singenden Titel Senorita von US Star Justin Timberlake. Das war leider Nix. Von der Jury gab es ein sehr deutliches ‚Daumen runter‘. Füllmaterial!
Achte im Bunde der ersten USFB 2012 Liveshow war dann Céline Huber aus Lörrach. Die in der Schweiz tagelöhnernde Kellnerin wagte sich an den schwierig zu singenden Kelly Clarkson Song Beautiful Disaster. Die Jury war ob des Vortrages der Céline sehr begeistert. Sie sollte unbedingt weiterkommen. Wir jedoch wunderten uns. So toll war Hubers Vortrag nach unserem Gefühl eigentlich gar nicht gewesen. Fehlerfrei war ihr Vortrag beileibe nicht. Auch Céline erinnerte uns nach Typus und Aussehen arg an Lena Meyer-Landrut.
Nach Céline folgte auf Startnummer 9 die blonde Jil Rock. Sie sang den aktuellen Chart Hit Moves Like Jagger von Maroon 5 (feat Christina Aguilera). Stimmlich erschien uns Jil besser aufgelegt, als z.B. die hochgelobte Céline, doch die Songauswahl (und gar ihr Styling) sollte ihr Verderben werden. Die Jury mäkelte denn auch an ihrem ‚zu amerikanischen Aussehen‘ herum. Sie solle ja bloß kein Christina Klon sein, wurde ihr da geraten. Es machte den Eindruck, als ob man seitens der Jury Jil partout nicht ne Runde weiter haben wollte. So kam es dann ja auch. Beim Voting war sie auf verlorenem Posten.
Highlight des Abends wurde dann der im sogenannten Sympahtievoting siegreiche ‚Jungmädchen Traum‘ Roman Lob (21). Der vor 5 Jahren bei DSDS während des Top 20 Recalls wegen einer Kehlkopfentzündung ausgeschiedene Sänger performte den bei Castingkandidaten beliebten balladenhaften Pop-Hit After Tonight des kanadischen Sängers Justin Nozuka. (Der Song war vor einigen Jahren in Kanada und Frankreich Platz 1 der Charts). Roman konnte uns überzeugen. Er sang weitgehend fehlerfrei. Man darf Roman Star Appeal attestieren. Für uns ist Lob die Entdeckung des Abends gewesen. Top! Die Jury fand das auch. Die votenden Zuschauer zeitweise auch. Das sollte sich aber später noch relativieren.
Das Voting Disaster nimmt seinen Lauf:
Nun, nach Ende der Auftrittsphase ging es nämlich ans Eingemachte. Das neue Votingsystem forderte seinen Tribut. Und das vor allen Dingen in Form von sündhaft teuren 50Cent Anrufen vom votenden Publikum. Das grosse Votingrennen begann. 6 Kandidaten konkurrierten nun um die nur 5 vorderen Plätze, die ein Weiterkommen garantierten. Diese unheilvolle Konstellation führte zum grossen Disaster!
Alle paar Sekunden veränderte sich das Ranking. Mal war einer Zweiter, im nächsten Moment plötzlich auf Platz 6 und vice versa. Selbst den lange führenden Roman, der eigentlich mit grossem Abstand hätte gewinnen müssen, erwischte es. Kurz vor knapp stürzte er von der 1 auf die 4, was dann die Jury (in diesem Falle Stefan Raab) dazu veranlasste die Zuschauer aufzufordern für Roman zu voten (was sogleich auch passierte).
Noch hektischer wurde die Jury in Falle der so hoch gelobten ‚einzigartigen‘ Shelly Phillips. Kurz vor Ende der allerletzten 2 Votingminuten griff die Jury ganz entschieden Pro Shelly ein. Das wirkte. Sie konnte sich auf einen der 5 vorderen Plätze retten. Zufälligerweise gewann sie sogar das Voting mit hauchdünnem Vorsprung. Unter den Top 6 hätte man eigentlich auch würfeln können, erschien es uns.
Nach Liveshow 1 sind bei Unser Star Für Baku weiter dabei:
Shelly Phillips (15,5%)
Roman Lob (14,9%)
Céline Huber (14,7%)
Leonie Burgmer (14,7%)
Katja Petri (14,7%)
Alle 5 erreichten ein Votingergebnis von um die 14.8%.
rausgeflogen sind:
Kai Nötting (14,5%)
Jil Rock (5,9%)
Yasmin Gueroui (2,4%)
Salim Özcan (1,7%)
Jan Verweij (1,0%)
Die angebenen Prozentanteil der Kandidaten sind die Werte, die eingeblendet waren, als das Voting offziell für beendet erklärt wurde!
Das für uns zunächst überzeugende neue Votingsystem hatte sich im Verlauf der Sendung in ein regelrechtes Disaster verwandelt. Mit einer irgendwie auch nur halbwegs gerechten Bewertung der Leistungen hatte das aber auch rein gar nichts mehr zu tun. Bullshit…
Die Prozentwerte kann man einblenden, aber doch nicht die Namen…
Unsere nun feststehende Meinung zum neuen USFB Votingsystem: Dieses Votingsystem ist eine ärgerliche Unverschämtheit.
Dem Zuschauer wird im Namen der Transparenz hemmungslos Geld entlockt (ein Anruf kostet bei Pro7 verdammungswürdige 50 Cent). Die Kandidaten werden grad von der Jury (Raab und Dürr im besonderen) in einem Maße missachtet, dass es einem die Zornesröte ins Gesicht trieb. Der Jury war es vor allem wichtig, Roman und Shelly irgendwie durchzubringen. Alles andere interessierte die nicht mehr. Wobei anzumerken ist, dass sich Alina Süggeler da doch eher heraushielt. Sie unterstütze sogar die chancenlose Yasmin. Überhaupt machte für uns Alina bei den Bewertungen und dann auch beim folgenden ‚Votingwahnsinn‘ eine relativ gute Figur.
Das Voting ist im übrigen beileibe keine Weltneuheit. So, oder ähnlich, gab es das beim Sender 9Live sehr lange.
Zum Kandidatenfeld der ersten Unser Star Für Baku Liveshow: Unseres Erachtens war bis auf Roman Lob niemand dabei, der wirklich mit Appeal überzeugen konnte. War doch eher nur Durchschnitt was man zu Sehen und Hören bekam. Eigentlich hatten wir da mehr erwartet.
Zu guter Letzt: die ultimative Chartinfo!
After Tonight von Justin Nozuka (in der USFB Liveshow 1 von Roman Lob performt) steigt heute (15.30 Uhr) in den iTunes Charts auf einen sensationellen Platz 26 und Platz 30 (zusammengenommen ist das ein sehr starker Platz 12!). Amazon MP3: After Tonight auf Platz 38 und 194 (zusammen ca Platz 31)!
Ganz klar ist Nozuka durch Roman Lobs ‚Hilfe‘ der absolute Chartwinner der Sendung!. Meilenweit vor allen anderen…
Bis auf überraschenderweise den Titel ‚Closer To The Edge‘ von 30 Seconds To Mars (heute Platz 70) hat es bei keinem anderen der von den USFB Kandidaten vorgetragenen Songs zu so starken Verkaufssteigerungen geführt, dass eine Top 100 Platzierung bei iTunes dabei herauskam (bzw dass ein bereits vor der Show in den iTunes Top 100 platzierter Song wieder stark anstieg).
Roman Lob ist daher eigentlich der einzige der Kandidaten der ersten USFB Liveshow mit überzeugendem Chart Appeal.
Fazit:
Wollen wir ehrlich sein: Roman Lob hätte gestern mit grossem Vorsprung das USFB Voting gewinnen MÜSSEN. Das das so nicht passierte, das ist eine Lächerlichkeit sondersgleichen!
Thomas D äußert sich durchaus selbstkritisch zur ersten Show und sagt was er bei der 2. besser machen will.
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sehenswert