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verfasst von OLJO-Team

US Stars beim Albumverkauf in Deutschland im Keller

US Stars beim Albumverkauf in Deutschland im Keller
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Aktuell befinden sich US Stars (bzw. Musikstars aus Nordamerika) beim Albumverkauf in Deutschland in einer im historischen Vergleich extrem bescheidenen Lage. Wahrscheinlich ist die Lage so schlecht, wie noch nie. Mindestens ist die Lage so schlecht, wie noch nie seit Beginn des digitalen Zeitalters im Musikverkauf. Dieses Zeitalter begann um das Jahr 2004 herum.
Beim Verkauf von Download-Alben nordamerikanischer Musikstars in Deutschland, (iTunes ist beim Download-Albumverkauf in Deutschland mit haushohem Vorsprung Marktführer), zeitig sich im ersten Quartal 2016 ein für die Stars ‚vom übern Teich‘ zunächst sehr ernüchterndes Bild:

von den vom 01.01.16 bis 07.04.16 möglichen 98 Tages Nummer 1 Platzierungen in den deutschen iTunes Albumcharts haben nordamerikanische Acts nur 4 schaffen können (4%), (2 davon durch Rihanna aus Barbados). Von den insgesamt möglichen 490 Top 5 Tages-Spitzenplatzierungen gab es für Alben von Acts aus USA, Kanada und der Karibik 40, davon Rihanna 12 und Justin Bieber aus Kanada 1.
Nordamerika-Anteil: 8,2%.
Dabei sind die Kunden bei iTunes besonders affin hinsichtlich aktueller Musikstars aus Nordamerika.

Zum Vergleich: im gleichen Zeitraum des Jahres 2011 (also vor gerade mal 5 Jahren) erzielten Musikstars aus Nordamerika in den deutschen iTunes Charts 148 mal eine Tagesplatzierung innerhalb der Tages Top 5 (2016 sind es 73% weniger!). Möglich waren 485 Top 5 Tagesplatzierungen. Der Marktanteil belief sich auf stolze 30,5%. 21 mal stand ein Album eines Künstlers bzw. einer Künstlergruppe aus Nordamerika im ersten Quartal 2011 auf dem Tages Platz 1 der iTunes Deutschland Album-Hitliste. (2016 sind es 90% weniger).

Noch ungünstiger für nordamerikanische Acts ist auch das Bild beim Album CD Verkauf u.a. beim Händler Amazon Deutschland (mit weitem Abstand Marktführer beim Online Verkauf von Album CDs in Deutschland):
Von den 60 möglichen Amazon Album CD Wochen Top 5 Platzierungen des ersten Quartals diesen Jahres haben insgesamt als Bestplatzierungen lediglich 2 mal Alben von Künstlern aus Nordamerika einen Platz 5 erreicht (Marktanteil bei den Wochen Top 5 Platzierungen 2016: ganz schwache 3,3%). 2011 waren es 11 Top 5 Platzierungen im gleichen Zeitraum von 12 Wochen (1. Quartal 2011, Marktanteil: 18,3%), 2012 waren es sogar 16 ‚Top 5 Platzierungen‘ von den 60 möglichen (Marktanteil: 26,7%).

Auch wenn es naturgemäß gewissse Schwankungen der Marktanteile je Quartal gibt, ist der in diesem Jahr im ersten Quartal zu beobachtende Tiefpunkt für die Nordamerikaner ziemlich auffällig. Hier gibt es auch zu bedenken, dass die Nachfrage nach Albumprodukten nordamerikanischer Künstler auf ihren Heimatmärkten ein Allzeit-Tief erreicht hat und zudem beständig weiter sinkt. (Insbesondere wenn man die tatsächliche Nachfrage nach echten Alben ohne Streamingwertungen als Datengrundlage heranzieht).

Wichtiger Hinweis: die Platzierungen wurden ermittelt unter Ausschluss von Hörbüchern und Various Artists Sammlungen (meist Hit Compilations)!

Deutsche Musik-Künstler hingegen erzielen heutzutage insgesamt vielleicht sogar noch ein klein wenig mehr Umsatz mit dem Albumverkauf, als in ihren besten vordigitalen Zeiten in den End-90er Jahren (zumindest eben was den erzielten Umsatz in Euro angeht).

Bringt Streaming die große Wende für die US-Stars in Deutschland?

Anders, als beim Albumverkauf, sieht das Bild für die Stars aus Amerika im rasch wichtiger werden Streaming Bereich aus. Hier erreichen Musik Acts aus Nordamerika einen sehr beträchtlichen Marktanteil, der wohl an die 40 Prozent-Marke heranreicht (wenn man Youtube, als mit Abstand grössten Streaminganbieter mit einbezieht). Der hohe Marktanteil beim Streaming und der dort erzielte Umsatz kann aber die Umsatz-Verluste der nordamerikanischen Acts beim Albumverkauf in Deutschland derzeit nicht ausgleichen.
Sollte das Wachstum beim Streaming in den nächsten Jahren aber weiterhin, wie allgemein erwartet, über 50% pro Jahr betragen, würde sich die Marktlage für die Nordamerikaner in Deutschland schon bald wieder deutlich aufhellen (sollten sie ihren Marktanteil beim Streaming in etwa auf dem derzeit erreichten Stand halten können, was ja nicht unwahrscheinlich ist).

Entwicklung Albumverkauf bzw. Tonträgerverkauf insgesamt 2015 bis 2018:

In 3 Jahren wird der Umsatz mit Alben (CDs, Vinyls + Downloads) in Deutschland zu heutigen Preisen mit einer Jahresrate von wohl mindestens 6% sinken. Der Umsatz würde statt der 2015 erreichten 1.090 Mio € dann um die 900 Mio € (2018) betragen.

Der Umsatz mit Song Downloads dürfte besonders unter dem Zuwachs beim Streaming leiden. Ein jährlicher Rückgang von um die 15% ist zu erwarten. Der Umsatz würde von 96 Mio € im Jahr 2015 auf ca. 60 Mio € im Jahr 2018 sinken.

Geht man beim Streaming von einer durchschnittlichen Umsatz-Wachstumsrate von jährlich 55% aus (2015 erreichte das Wachstum 103% gegenüber 2014..), würde dieser Bereich im Jahr 2018 mit 930 Mio € der wichtigste Teilbereich im Musikvertrieb in Deutschland sein (2015 lag der Umsatz mit Streaming bei 250 Mio €).

Ob tatsächlich die Ausgaben der deutschen Konsumenten für Musik in den nächsten 3 Jahren aber mit der hohen Jahresrate von 10% steigen werden, darf bezweifelt werden. Durchaus denkbar wäre, dass es beim Album-Verkauf ab einem bestimmten Zeitpunkt der Martkdurchdringung mit Streaming-Abos einen möglicherweise ziemlich abrupten Übergang vom derzeitigen sanften Sinkflug der Umsatzzahlen in einen steilen Abstieg geben wird, so wie es in praktisch allen anderen Ländern bereits jetzt schon zu beobachten ist.

Hauptnutznießer der vermuteten oben aufgezeigten Marktentwicklung der nächsten Jahre wären natürlich diejenigen Acts, die beim Streaming besonders gut positioniert sind. Das werden wohl mehrheitlich eben Acts aus dem englischsprachigen Raum u.a. aus Nordamerika sein.
Auf Kosten deutscher Acts werden diese ihren Marktanteil in Deutschland wahrscheinlich bis 2018 um 65% ausweiten. Deutsche Acts müssten aber auch nicht unbedingt Hunger leiden. Trotz Verlusten beim Umsatz mit Alben könnte es ca 15% Umsatzwachstum für deutsche Acts im Vergleich 2018 mit 2015 geben. Es darf halt nur im Albummarkt nicht zu einer intensiven Nachfragekrise kommen.
Insgesamt ist es relativ sicher, dass Musik-Acts aus Nordamerika aus dem aktuellen Marktanteils-Keller ziemlich rasch wieder herauskommen werden und einen ziemlich großen Teil des möglichen Markt-Wachstums in Deutschland für sich in Beschlag nehmen werden.
Sollte der deutsche Album-Markt, ähnlich wie in den USA, ‚zusammenbrechen‘, würde das natürlich weitgehend auf Kosten der beim Albumverkauf extrem marktbeherrschenden deutschen Acts gehen. Es besteht daher auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass deutsche Musik-Acts im Jahr 2018 weniger Geld verdienen werden, als heute. Nur wer gute Karten beim Streaming hat (Audio + Video) wird gut dastehen. Das betrifft sehr wahrscheinlich eher deutsche Acts, die jungendaffine Produkte anbieten.

Die Charts der nahen Zukunft – was ändert sich?

Singles:
Was die Single Charts betrifft werden 2018 Song Downloads nur noch eine marginale und in einigen Fällen an der Spitze der Charts mittlere Bedeutung haben. Eine Wochen Nummer 1 nur mit dem Verkauf von Song Downloads (ohne Streaming) ist ab Mitte 2018 so gut wie nicht mehr möglich (120 TSD verkaufte Song-Downloads wären dann in einer Woche von Nöten, was wohl nur in einem extremen Ausnahmenfall noch erreichbar sein wird). Ab spätestens Mitte 2019 wäre aber auch ein solcher Extrem-Fall nicht mehr drin. Die Charts der Musikindustrie dürften mindestens ab 2018 im Singlebereich wahrscheinlich weitgehend eine Kopie der wöchentlichen Spotify Charts sein. (natürlich unter der Annahme, dass es Spotify gelingt die heutige Marktbedeutung in Deutschland beizubehalten. Das ist schwer vorherzusehen, aber nicht unwahrscheinlich.)

Alben:
Die Album-Charts im Jahr 2018 werden, was tatsächliche Albumverkäufe betrifft, sehr weitgehend von der Nachfrage eines älteren nicht so streamingaffinen Publikums bestimmt werden. Durch Sonderregelungen, die vor allem die unstatthafte Doppelzählung von Song-Streams, die schon in den Single Charts notiert sind, als Albumäquivalente beinhaltet, wird von der Musikindustrie verzweifelt dagegengesteuert. 2018 wird es sicher schon hier und da Fälle von in den Musikindustrie-Albumcharts platzierten Alben geben, die zwar nur eine Handvoll ‚echte Albumkäufer‘ finden, aber dennoch durch die Streamingwertung locker die Album Top 10 Wochenwertung erreichen.

Schlussbetrachtungen:
Ob das Format ‚Album‘ als künstlerisches Werk in der heute bekannten Form im Streamingzeitalter eine mitbestimmende Rolle spielen wird bezweifeln wir. Erfolgversprechender könnte sein, z.B. ständig in monatlicher Folge, immer wieder neue Songs zu veröffentlichen.
Als relativ sicher kann angenommen werden, dass Künstler aus dem englischsprachigen Raum sehr von den zukünftigen Marktveränderungen in Deutschland profitieren werden.
3 Firmen werden noch stärker, als heute schon, den Musikvertrieb beherrschen: Google, Spotify und Apple. Amazon wird ohne ein erfolgreiches Streamingangebot in dieser Liga nicht mitvertreten sein.

Unklar aus unserer Sicht ist, ob Spotify auf Dauer gegen die dutzende Milliarden schweren Konzerne Google, Apple und eventuell Amazon wird bestehen können.

Gag bei Spotify und den anderen Streamingdeinsten ist interessanterweise, dass dort eine alte Regel des Musikbusiness bzw. der normalen Wirtschaftstätigkeit ausser Kraft gesetzt ist.
Bei Spotify & Co gilt: wer als zahlender Abonnent, oder gar gratis Nutzer VIEL streamt bringt richtig Verlust, nur wer möglichst WENIG Songs streamt, der bringt am Ende den ersehnten Gewinn. Und eins ist klar: die Streamingdienste sind nicht auf der Welt, um dauerhaft Verluste nach Hause zu fahren.
Beim Musikverkauf ist das hingegen anders herum. Hier gilt: hohe Verkaufszahlen = hoher Gewinn.

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Erik
Erik
9. April 2016 11:43

Das ist ja auch nix neues.. die deutschen verkaufen auch brutal wenig Alben… siehe auch Echos, liegt vieles oft arg nah beieinander.
Und jetzt mal frech gesagt: Obwohl die ja teilweise 50-150 mal im Jahr touren und so sehr viele Leute erreichen – Fanbase aufbauen – mit denen auf FB kommunizieren – reicht es dann doch oft nur für 100 bis 200.000 Alben am Ende – was ja alles USA Acts nicht können. Adele tourt ja nur ausgiebig in den USA.

Die neue Mark Forster Single zb ist mit dem Gitarrenriff mal wieder super catchy. Das sucht man leider meist vergebens in kommerziellem deutschen Pop. Leichtes Gepäck von Silbermond war deren beste Single seit Jahren aber ging auch nicht in die Top 10. Was ich schade fand.