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verfasst von OLJO-Team

Bohlen: für 60 Mio Streams 25.000 Euro. So UNtrue!

Bohlen: für 60 Mio Streams  25.000 Euro. So UNtrue!
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Märchenstunde gefällig? Im RTL Fernsehen behauptete am späten Samstag Abend DSDS Chefjuror Dieter Bohlen, dass 60 Mio Streams 25 TSD Euro an Einnahmen bringen würden. Ist das eine dreiste Fehlinformation, oder die traurige jammervolle Wahrheit der langsam in Deutschland verarmenden Musikproduzenten bzw. Musikacts?

Es kann theoretisch sein, dass Bohlen mit den 25 TSD Euro die Einnahmen eines Gesangskünstlers aus dem Songstreaming meint (d.h. die Einnahmen in Form von Provisionen für einen Sänger/in, der weder Texter noch Komponist des Songs ist). Dies würde bedeuten, dass ein DSDS Sieger so um die 4% Umsatzprovision beim Streaming bekäme. Wenn dem so wäre (was Bohlen so aber nicht gesagt hat), sind 4% nicht rasend viel, aber auch nicht unterirdisch wenig. Frage ist dann eben nur noch 4% von was.
Wahrscheinlich meinte Bohlen aber die GEMA/GVL Überweisungen für Komponist, Texter und Sänger eines gestreamten Songs. Wir gehen davon aus, dass Bohlen Audio-Streaming meinte.

Wir sind verwundert, dass Bohlen selbst anscheinend kaum einen blassen Schimmer davon zu haben scheint, was eigentlich beim Streaming ‚rum kommt‘. Das ist nämlich je nach Art des Streams und auch noch je nachdem bei welchem Anbieter der Stream abgerufen wird äusserst unterschiedlich. Unbedingt zu beachten sind in diesem Zusammenhang die letzten Absätze unseres Artikels! Von wegen bringt nix…Es darf Bauklötze gestaunt werden!

Zunächst einmal Grundsätzliches zum finanziellen Aspekt des Streamings:

Die GEMA stellt folgendes den Audio-Streamingdiensten als mindestens zu zahlende Summe in Rechnung, wir zitieren von der GEMA Webseite:
„3. Mindestvergütung für Ad-Funded-Streaming-Dienste
Die Mindestvergütung beträgt bei hoher Interaktivität des Dienstes (Anmerk.: z.b. Spotify) EUR 0,00375 pro Stream“
Das entspricht immerhin 0,375 Euro pro 100 werbefinanzierte ‚Free‘ Audio-on-demand Streams.

Zum Nachlesen hier die offiziellen GEMA Tarife für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires im Rahmen
von Ad-funded-Streaming-Angeboten
:
Gema Tarif für werbefinanzierte Audio on-demand Streams
(ad-funded heist werbefinanzierte ‚free-to-hear‘ Streams)

Mit hoher Aktivität umschreibt die GEMA On-Demand Audiodienste. Audiostreamingdienste, bei denen der User ausschliesslich nur Playlisten und nicht einzelne vom User selbstausgewählte Songs abspielen kann, müssen 0,00025 € je Songstream zahlen. 100 Streams erbringen bei derartigen Anbietern 0,025€. Bei 60 Mio Streams wären das 15.000€.


Eine GEMA Sonderregelung wirkt bei neu auf den deutschen Markt tretenden Streamingdiensten. Im ersten Jahr ihres Bestehens (das trifft derzeit auf den Dienst Apple Music zu, der Ende Juni vergangenen Jahres gestartet wurde) ist bei mehr als 2 MRD werbefinanzierten Streaming-Auslieferungen pro Jahr eine feststehende Abschlagszahlung von 2,25 Mio fällig (0,0011 € je Stream maximal). Im Folgejahr verdoppelt sich dann diese Abschlagszahlung. Nach Ende des zweiten Jahres gelten die oben erwähnten Mindestvergütungen.
Sollte Apple jedoch deutlich mehr als 2 MRD Free-Streams (z.B. durch Trial Versionen) ausliefern verringert sich natürlich dementsprechend die Vergütung je Stream.
Apple Music dürfte in diesem Jahr mindestens 2 MRD möglicherweise aber auch bis zu 4 MRD Free Streams ausliefern.

Für Spotify, das schon länger als 2 Jahre am Markt ist, bedeutet das: im Jahr 2016 muss Spotify der GEMA gemäß Mindestvergütung wohl um die 60 Mio Euro für die von deutschen Spotify Nutzern abgerufenen Free-Streams überweisen (2015: 40 Mio €). Apple Music hingegen muss nicht mehr als 3,38 Mio € für Free Streams (in Form von kostenfreien Trial-Versionen) berappen.

60 Mio werbefinanzierte Audio-Streams erbringen den Urhebern eines Songs (Komponist und Texter) bei Spotify eine GEMA-Einnahme von 225.000 Euro. Bei Apple Music sind es hingegen maximal 70.000 €, es könnten aber bei hoher Nutzung der 3monatigen kostenfreien Apple-Music Trials auch nur 35.000€ sein.
Hinweis:
Die tatsächliche Höhe der Ausschüttungssumme wird im äusserst ungerechten Ausschüttungsverfahren von der GEMA errechnet. Die Schwankungsbreite kann daher plus/minus 20% von 225 TSD abzüglich 15% Verwaltungskosten betragen, also 155 TSD bis 230 TSD Euro.

Bei ‚zahlenden‘ Abonnenten stellt die Gema grundsätzlich 10,25% des monatlichen Netto-Zahlbetrages (Preis minus Umsatzsteuer) in Rechnung. Wieviel das am Ende pro Stream bedeutet schwankt somit je nach Gesamt-Nutzungsintensität und je nach Höhe der tatsächlich gezahlten Netto-Abopreise.
Anfang des Jahres 2016 wurden 500 Mio Audio-on-Demand Streams pro Woche von der Industrie gemeldet. Davon waren schätzungsweise rund 30% durch zahlende Abonnenten verursacht, die im Schnitt ca. 6,80€ netto pro Monat für ihr Abo ‚zahlen‘ (oder ein Abo im Rahmen eines Handyvertrages zu Verfügung gestellt bekommen, bei dem das Mobilfunkunternehmen ein preislich stark vergünstiges Abo für den Handy-Vertragsnutzer finanziert). Anfang des Jahres 2016 gab es schätzungsweise ca 2,4 Mio ‚zahlende‘ Audio-Streaming-Abonnenten in Deutschland.
10,25% von 6,80€ sind 0,697 € mal 2,4 Mio Zahl-Abos sind das 1,67 Mio € für 650 Mio Abonnenten Streams pro Monat.
Der aktuelle Vergütungsbetrag beträgt somit durchschnittlich 0,0026 € pro Abonnenten-Stream, der an die GEMA zu überweisen ist. Bei 60 Mio Streams durch Zahl-Abonnenten ergibt sich eine Tantiemen-Summe von sehr beachtlichen 156.000 €. Um die gleiche GEMA Summe mit dem Verkauf eines Song-Downloads in Deutschland zu verdienen, müsste man ganz genau 1,715 Mio Song Downloads verkaufen. (0,091€ je verkauftem Download kassiert die GEMA laut offiziellem Tarif).


Vereinfachte Darstellung:

1 Mio werbefinanzierte Streams bringen dem/den Urheber/n mindestens 3.750 Euro Gema Tantiemen. (Mindestvergütung, oder 10,25% der Werbeeinnahmen, je nachdem was höher ist). Bei Diensten, die weniger als 1 Jahr am Markt sind gibt es pro 1 Mio Streams ca. 1.100 €, für Dienste jünger als 2 Jahre, aber älter als 1 Jahr gibts ca. 2.200€.

1 Mio Streams durch Abonnenten bringen derzeit im Schnitt ca 2.600 Euro Gema Tantiemen.

Die Höhe der tatsächlich auf die Konten der Gema-Mitglieder überwiesenen Summe weicht von den von der Gema eingesammelten Beträgen nach oben, oder unten z.T. sehr erheblich ab, was am ungerechten Verteilungsverfahren liegt.


Die oben genannten Zahlen beziehen sich wohlgemerkt nur auf die Gelder, die von der GEMA im Auftrag der Komponisten, Texter und Zweitbearbeiter (Remixer) eingesammelt werden. Es kommt aber noch dicke was hinzu (siehe unten).
Wichtige Zusatzinfo:
Der Umsatz pro Stream für die Musikindustrie-Unternehmen ist natürlich um ein Mehrfaches höher als die von der GEMA eingesammelten Vergütungen. Das sollte man nicht in einen Topf werfen!

Aber das ist noch längst nicht alles. Weit gefehlt. Lese unbedingt weiter, um die ganze Wahrheit zu erfahren!

Der Gag kommt wie immer zum Schluss

:


Die GEMA hat im Jahr 2015 nur 40 Mio € Einnahmen im Bereich ‚Online Musik‘ (umfasst u.a. den Bereich Audio Streaming) als Einnahmen verbucht. Das sind Sage-und-Schreibe 10% WENIGER, als im Jahr 2014, obwohl im Jahr 2015 104% mehr Audiostreams ausgeliefert wurden, als im Jahr 2014. Irgendwas muss also bei der Gema Abrechnung total falsch laufen. Es ist rechnerisch unmöglich, dass die Einnahmen sinken können, wenn sich die Nutzung verdoppelt hat. Lachnummer!

Free Streams? Von wegen…

Es muss unbedingt angemerkt werden, dass es so etwas wie ‚Free Streams‘ in Deutschland sowieso in dem Sinne eigentlich gar nicht gibt.
Alle Unternehmen, die technische Geräte in Deutschland verkaufen, mit denen Musikabspielung bzw. Musikspeicherung möglich ist, müssen pro Gerät eine Abgabe an die GEMA entrichten. Seit Dezember 2015 betrifft das auch in Deutschland verkaufte Handys und Tablets. 5€ bis 6,25€ pro verkauftem Handy und 7€ bis 8,75 € je verkauftem Tablet fliessen ab 2016 und rückwirkend ab 2012 direkt an die GEMA. Die Hersteller schlagen diese Abgabe natürlich, soweit das der Markt zulässt, auf den Endkundenpreis drauf.

Laut offizieller Meldung des Branchenverbands BITKOM sollen allein die nun GEMA-pflichtigen Handy- und Tabletverkäufe im Jahr 2016 170 Mio € zusätzliche Einnahmen für die GEMA bescheren. Diese ungeheure Summe entspricht 45 MRD Free Audio-Streams (gemäß Mindestvergütungspreis).
Im ganzen Jahr 2016 werden aber nur 35 MRD bis 40 MRD Streams (free plus Abonnenten Streams) in Deutschland abgerufen werden. Hinzu kommen mehrere hundert Millionen Euro an Nachzahlungen ab 2012 bis 2015.

Bitkom: 170 Mio € mehr GEMA Einnahmen durch Handy- und Tabletabgabe!

Wahnsinn: Es regnet Geld wie doof für Komponisten und Texter!

Die geradezu utopischen 170 Mio € GEMA Mehreinnahmen PRO JAHR werden an die GEMA Mitglieder verteilt werden. Man kann davon ausgehen, dass die tatsächlichen überwiesenen Ausschüttungen pro Stream insgesamt doppelt so hoch ausfallen, wie oben angegeben.
Zum auf der Zunge zergehen lassen: die GEMA hatte zunächst das Fünffache der 170 Mio € (die am Ende der Verhandlungen mit BITKOM herausgekommen sind) gefordert… = 850 Mio €. Das waren die gesamten Jahreseinnahmen der GEMA im Jahr 2015…dazu fällt dem Artikelverfassser nur das Wort ‚Gier‚ ein

Dieter Bohlens Behauptung Streaming würde ’nix einbringen‘ kann man ohne zu Zögern ins Reich der Märchen verabschieden. Es ist einfach falsch.
Das Gegenteil ist der Fall.
Über den Daumen gepeilte 5000€ für 1 Mio Streams ist alles andere als wenig für die Urheber.

Was jedoch ’nur‘-Sänger/innen (die ihre Songs nicht selbst schreiben) von diesem GEMA Geldsegen abbekommen steht freilich auf einem anderen Blatt.
Viele Sänger/innen haben meist nicht mal den blassesten Schimmer, was mit Streaming überhaupt verdient wird bzw. verdient werden kann. Sie haben daher eine schwache Verhandlungsposition und müssen sich dazu noch ständig Lügen anhören, dass ja mit dem Streaming kein müder Penny verdient wird.

Leider ist es allerdings auch so, dass deutsche Künstler beim Audio-Streaming insgesamt ziemlich schlechte Karten haben. Das betrifft auch Dieter Bohlen. Nur 3 Songs von Dieter Bohlen (Modern Talking) haben bei Spotify mehr als 5 Mio Streams geschafft, einer davon etwas mehr als 10 Mio (weltweit wohlgemerkt). Alan Walker mit ‚Faded‘: 293 Mio weltweit (ca 50 Mio bis 60 Mio davon in Deutschland).

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10 Comments
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Laura Kloos
Laura Kloos
19. Juni 2021 07:34

Selten so einen Quatsch gelesen. Die wenigsten Songs werden von einem Songwriter geschrieben, meistens sind 3-5 Leute – oft auch mehr – involviert, dann halten noch Verlage die Hand auf, was für Texter:innen und Komponist:innen übrig bleibt, ist lächerlich wenig.
Liebe Grüße von einer Songwriterin mit mehr als 50 Millionen Streams, die am Ende kaum was davon sieht.

Robert
Robert
22. Juni 2016 05:29

Gibt es schon eine offizielle Aussage seitens der Gema? Soweit man es im Internet nachforschen kann, laufen die Verhandlungen mit Spotify wohl noch immer, obwohl wie von euch beschrieben schon die tarifliche Mindestvergütung greifen sollte. Die einzige handfeste Info findet man auf der Gema Seite, wo davon gesprochen wird, dass für das Abomodell die Minimumvergütung (für Dienste die neu am Markt sind) für die nächsten 3 Jahre weiterläuft, zum werbefinanzierten Modell steht jedoch nichts! Grüße

jeremy
jeremy
9. Mai 2016 15:07

„Nur 3 Songs von Dieter Bohlen (Modern Talking) haben bei Spotify mehr als 5 Mio Streams geschafft, einer davon etwas mehr als 10 Mio (weltweit wohlgemerkt). Alan Walker mit ‚Faded‘: 293 Mio weltweit (ca 50 Mio bis 60 Mio davon in Deutschland). “

Wo bekommt man denn solche Daten her?
Vielleicht könnt ihr ja mal einen Artikel schreiben welche deutschen Künstler beim Streaming besonders erfolgreich sind. Ich fände das interessant.

Erik
Erik
9. Mai 2016 09:48

Erinnere mich daran wie Aloe Blac über die Einnahmen des Streamings gemeckert hatte. Für erfolgreiche Künstler kommen ja auch die Einnahmen vom Radio Airplay, den Youtube und Vevo Klicks und natürlich auch Song Downloads ein. Ein Song wie One dance von Drake der wohl mindestens 60 Millionen mal gestreamt wird macht cash ohne Ende.

Bohlen als Gema Hirte macht eh cash ohne Ende. Will ich zb ein Video sehen kann ich das in der Regel nicht in Deutschland. Was für eine Ungerechtigkeit.