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verfasst von OLJO-Team

Urteil im langwährenden Streit zwischen GEMA und Youtube: Keine Fortschritte

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Erhebliche Aufregung ‚im Netz‘, aber was war tatsächlich Inhalt des Urteils im GEMA Youtube Streit?
Die entscheidende Passage des besagten Urteils:
Das Landgericht Hamburg stellte eine sogenannte Störerhaftung von Youtube fest. Youtube sei, laut Urteil, daher verpflichtet, urheberrechtlich geschützte Inhalte zu löschen, wenn Youtube schriftlich darauf aufmerksam gemacht wird, dass ein Video entsprechende GEMA geschützte Inhalte enthält.

 
Die GEMA hatte verlangt, Youtube als Haftenden (und daher zu Schadensersatz Heranzuziehenden) zu verurteilen. Das verneinte das Gericht. Es wurde auf die oben genannte Störerhaftung hingewiesen.

 
In den vom Gericht beurteilten Fällen ging es um folgende von Youtube-Usern hochgeladene Videos, die gelöscht werden sollten (in Klammern die Namen der Komponisten, deren Rechte die GEMA im Rechtsstreit vertritt), weil sie folgende Songs enthielten:
„Akropolis Adieu“ (Christian Bruhn), „Zwei Kleine Italiener“ (Christian Bruhn), „Sex An Der Bar“ (Alex Christensen alias Alex C), „Night In Motion“ (Alex Christensen, alias U96…), „In The Shadow, In The Light“ (Michael Cretu), „Ritmo De La Noche“ (Alex Christensen, Interpretin Verena Pooth…), „I Feel Like You“ (Matthias Uhle, Interpret: X-Perience), „Club Bizarre“ (Alex Christensen alias U96), „Lieder, Die Wie Brücken Sind“ (bearbeitet von Rolf Zukowski), „Im Kindergarten“ (Rolf Zukowski), „Rivers Of Babylon“ (The Melodians, bearbeitete Coverversion von Frank Farian & Hans-Jörg Mayer, Text basiert auf Auszügen aus der Bibel…), „Lieder, die die Liebe schreibt“ (Rolf Soja).
5 der 12 Videos waren schon vor Prozessbeginn nicht mehr erreichbar, die 7 anderen seit Urteilsverkündung.
Alle aufgeführten Komponisten sind mutmaßlich Millionäre, einige sogar Multi- bzw. zigfach-Millionäre. Durch die Überweisungen der GEMA. Christian Bruhn ist dazu noch wahrscheinlich nicht allzu schlecht bezahltes Vorstandsmitglied der GEMA.

 
Urteil ist nur eine Etappe!
Das heute vom Landgericht Hamburg gesprochene Urteil zu der konkreten rechtlichen Auseinandersetzung zwischen der GEMA (bzw von Künstlern, denen die GEMA hilfreich zur Seite stand) und dem Videoportal Youtube (Eigentümer ist die US Firma Google Inc.) ist nur ein zwischeninstanzliches Urteil, dessen Bedeutung man keinesfalls überbewerten sollte.
Sollte es wider Erwartens zu keiner Fortsetzung des Rechtsstreits in der nächsthöheren Instanz kommen, so könnte das Urteil durchaus unangenehme Folgen für deutsche Internetnutzer haben. Im schlimmsten anzunehmenden Fall würde alle von Musikunternehmen bzw. deren Beauftragten NICHT authorisierten Videos, die Musikstücke enthalten, für deutsche Nutzer des Videoportals Youtube entweder gesperrt sein, oder müssten seitens Youtube vollständig gelöscht werden.
Das Hamburger Landgericht stellt im Urteil fest, dass Youtube auf schriftliche Anforderung der GEMA jedes beanstandete Video sofort nach Kenntnisnahme löschen muss. Dabei wird nicht geprüft, ob die GEMA tatsächlich einen Anspruch auf die Sperrung hat, oder nicht. Es reicht seitens der GEMA lediglich die Mitteilung der Youtubevideo ID, oder gar nur die Mitteilung von Interpretennamen und Songtitel per Email, liess das Gericht wissen. Dabei betonte das Gericht, dass Youtube auch diejenigen musikbeinhaltenden Videos löschen müsse, bei denen Songtitel und/oder Interpretennamen falsch/absichtlich falsch geschrieben sind.

 
Soweit wir wissen, war/ist die schriftliche Sperrungs-/Löschungsmitteilung bei Youtube schon seit Jahren möglich. Das ist in den US amerikanischen Gesetzen, denen Youtube unterliegt, nämlich so geregelt.
Bis dato hat die GEMA jedoch fast noch in keinem Fall schriftlich Löschungen veranlasst (meist waren es die Plattenfirmen, oder Tv Stationen bzw. Medienunternehmen, die Videos haben sperren/löschen lassen und zwar normalerweise über den automatischen Content ID Filter, den Youtube anbietet, gelegentlich aber auch über direkte Kontaktaufnahme mit Youtubeverantwortlichen).
Bislang bot der Youtube ID Contentfilter anscheinend besonders für die deutsche Musikindustrie nicht ausreichend Zuverlässigkeit unathorisierte Liveversionen, Coverversionen oder TV Mitschnitte eines Songs ausfindig zu machen und hinter der Sperrmauer verschwinden bzw. gleich ganz löschen zu lassen.
Möglich ist, dass die GEMA nun das ganz große Löschen anfängt. Betroffen davon sind alle musikbeinhaltenden Videos von Künstlern (d.h. von Komponisten) des In- UND Auslandes, deren Rechte die GEMA vertritt. Angeblich sind das 67.000 im Inland und mehrere Millionen im Ausland. Im Grunde genommen betrifft das ca. 80-90% aller kommerziell je veröffentlichten Lieder.

 
Casus belli?
Hauptproblem ist nun ob eine Löschung von beanstandeten Videos erfolgen muss, oder ob es seitens Youtube ausreicht ’nur‘ eine Sperrung für deutsche Youtube-Nutzer über die betreffenden Videos zu vehängen. Ein Hochladen eines Videos (durch einen Amerikaner) kann in den USA nämlich unbeanstandet bleiben. Für genau das gleiche Video könnte aber die GEMA die Löschung verlagen. Da wird es wohl keinen Kompromis geben können.
Der Streit zwischen GEMA und Youtube wird daher mit Sicherheit in nächster Zeit zu keiner Lösung gebracht werden können.
Ursache dafür ist das im internationalen Vergleich sehr rigide deutsche Urhebergesetz (welches sich die GEMA früher quasi selbst geschrieben hat und das damals vom Parlament nur abgenickt wurde). Die GEMA hat daher an einer Einigung mit Google/Youtube nicht das geringste Interesse.

 
Fakten:
Über 50% der Ausschüttungen (= Einnahmen minus Verwaltungskosten) der GEMA fliessen übrigens an Komponisten und Texter im Ausland. 82% aller in deutschen Pop-Radiostationen gespielten und vergütungspflichtigen Songs waren 2011 von ausländischen Komponisten/Textern. Die GEMA Einnahmen betrugen 2011 etwa 845 Mio € (-2% gegenüber 2010). Der Anteil der Einnahmen aus dem Bereich ‚Internetverwertung‘ belief sich auf 21 Mio € (2010: 13 Mio €). Im laufenden Jahr wird mit einer Verdoppelung der ‚Interneteinnahmen‘ gerechnet. 720 Mio € schüttete die GEMA 2011 in etwa an Tantiemen an ihre Mitglieder, oder an ausländische Rechteverwertungsgesellschaften aus.
Etwa 2.000 der insgesamt 67000 deutschen Komponisten, die beider GEMA gemeldet sind, vereinen 80%-90% der für Deutschland bestimmten Ausschüttungen auf sich. Schatzungsweise 100 bis 200 Komponisten (oder deren erbberechtigten Nachkommen) sind Millionäre. Schätzungweise 90% der deutschen GEMA Mitglieder erhielten im Jahr 2011 2000€, oder weniger an Ausschüttungen.
Rund 250 Mio€ der GEMA Einnahmen machen Radioabspielungen aus. Die Top 200 meistgespielten Titel des Jahres erhalten extrem deutlich überproportional viel von diesem Kuchen. (die unfaire GEMA Regel: viel Play bringt extrem viel Pay-per-Play). Die Komponisten der Jahres Top 10 Titel kassieren jeweils mehrere hunderttausend Euro.

 
Fazit: Songs/Videos usw. von Alex Christensen und den anderen wird es bei uns natürlich keine (mehr) geben. Die meisten sitzen eh keifend über das böse Internet in ihren Villas und erwarten sehnsüchtig die nächste GEMA Überweisung.
Wir meinen das GEMA System muss generalüberholt werden. Ein lockernder, gesetzgeberischer Eingriff ist vonnöten. Die zeitgemäße Anpassung des Urheberrechtes ist notwendig. Ebenso notwendig ist es, die Ausschüttungspraxis der GEMA sozial gerechter zu gestalten. ‚ACTA‘ wäre da das reinste Gift.

 

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4 Comments
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Ronja
Ronja
21. April 2012 18:07

Seht ihr ja besser als ich und sicher richtig – ich denke der Streit geht in die nächste Runde.

Ronja
Ronja
21. April 2012 16:24

Da kann ich Euch nur zustimmen, dieser Streit geht doch einfach nur um Kohle für diejenigen die ohnehin genug davon haben.
Löschungen diverser Videos gibt es auch seit mehreren Jahren, seitens der Musikbranche oder TV-Sender, da ändert sich nix.
Wenn jeder deutsche Sänger/Songwriter von dem Kuchen dann auch seinen Teil abbekommen würde, dann könnte man das ja verstehen, aber das ist bestimmt nicht der wahre Grund.
Nix geändert, geht sicher in die nächste Runde:)

CC-Felix
CC-Felix
21. April 2012 13:43

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