Musik-Business
verfasst von OLJO-Team

Neuer Musik Streaming Dienst Tidal bald am Start. Neu?

Neuer Musik Streaming Dienst Tidal bald am Start. Neu?
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Wie u.a. der US Rap Star und Musikmillionär Jay Z am Montag verkündete wird unter seiner Leitung ein von ihm erworbener Musik-Streamingdienst unter dem Namen Tidal bald in 31 Ländern gestartet werden. Auch in Deutschland soll dieser Dienst in wenigen Monaten verfügbar sein. Die Standardversion soll 10 US-$ bzw 10€ PRO MONAT kosten. Es wird aber auch eine Version geben, die Musik in annähernd CD Qualität streamen wird. Diese Version von Tidal wird dann allerdings sage und schreibe 20 US-$ bzw 20 € im Monat kosten (240 € pro Jahr).

Das englische Wort ‚tidal‘ ist übrigens das Adjektiv zum englischen Nomen ‚tide‘ (dt: Gezeiten). Übersetzt ins Deutsche heisst tidal ‚gezeitenmäßig‘ wohl im Sinne von ‚flutwellenartig‘, könnte aber auch im Sinne von ‚ebbenartig‘ gedeutet werden…). ‚Tidal wave‘ z.B. heisst ‚Flutwelle‘.

Wie Jay-Z mitteilte, sollen Eigentümer des derzeit anscheinend noch mehrheitlich in seinem Besitz befindlichen Dienstes nach und nach ‚die Künstler werden‘. Bei einer höchst seltsamen, arg großspurigen Pressekonferenz in New York City gaben Rihanna, Kanye West, J Cole, Deadmau5, Madonna, Nicki Minaj, Jack White, Calvin Harris, Usher, Chris Martin von der Gruppe Coldplay, Alicia Keys, der Countrysänger Jason Aldean, das französische Musikproduzentenduo Daft Punk, Mitglieder der Band Arcade Fire und natürliche Beyoncé (Jay Z’s Ehefrau) bekannt, Miteigentümer des Musikstreamingdienstes Tidal zu sein. Alicia Keys als Sprecherin dieser komischen Truppe schwafelte vom Beginn eines ’neuen Zeitalters‘ und vom Start einer ‚Musik Revolution‘. Viel dicker konnte man wohl nicht auftragen. Weit gefehlt. Jay Z sprach von ‚the beginning of a new world‘, dem Beginn einer neuen Welt (wahrscheinlich im Sinne von Ära). So so. Bescheidenheit sucht man vergebens.

In Wahrheit war es aber denn doch nur der Start einer neuen Firma mit der 16 schwerreiche Stars ‚Geld auf die leichte Tour‘ verdienen wollen, unter dem Hinweis darauf, dass sie ja für ‚die anderen Künstler‘ gnädigerweise und sozial höchst engagiert etwas gutes Tun wollen…

Eigentümer des Streamingdienstes Tidal sind nicht ‚die Künstler‘, sondern ein paar (um genau zu sein 16) sowieso schon steinreiche Musik-Megastars unter der Führung von Jay-Z, die zusammen z.B. 156 Mio Twitter-Follower ‚ansprechen‘ können.
Die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse bei Tidal wurden selbstverständlich nicht offengelegt. Laut eines Billboard Artikels haben 16 Künstler derzeit mit je 3% einen insgesamt 48% umfassenden Besitz-Anteil an Tidal.
Die übrigen 52% des Unternehmens Tidal gehören demnach derzeit Jay-Z. Selbstredend sind deutsche Musikkünstler an Tidal nicht beteiligt. Jeder der beteiligten Musikstars müsste demnach mit 3% des Kaufpreises von 56 Mio US$ also mit je 1,68 Mio US$ bei Tidal eingesteigen sein. Die haben es ja.
Tidal verfügt nach Billboard Informationen vermutlich fast auschliesslich in Nordamerika über angeblich 540.000 zahlende Abo-Kunden.

Unerwähnt bleiben die Komponisten und Texter, die, oder deren Vertreter (Musik-Publishing Unternehmen) in den meisten Fällen ja die Urheberrechtsinhaber der Musik sind, mit der die meisten Musikstars überhaupt zu Stars werden konnten.

Wie Jay Z mitteilte, soll Tidal vor allem durch Exklusiv-Inhalte zu Kundschaft und zu neuen Miteigentümern kommen. Das heisst bei Tidal wird Musik bzw. werden Videos gestreamt werden, die bei anderen Musik/bzw Video-Streamingdiensten entweder zweitweise nicht oder überhaupt nicht erhältlich sein werden. Neue Künstler, die exklusive Inhalte anbieten, werden im Gegenzug mit Anteilsscheinen von Tidal vergütet. Wie das genau funktionieren soll bleibt aber selbstverständlich absolut im Dunklen.
Jay-Z blieb weitere Informationen, wie das alles gehandelt werden soll, schuldig.

Man darf aber vermuten, dass Konsumenten Interesse an exklusiven Inhalten erst dann in ausreichendem Maße haben, wenn ein Interpret bereits ein bekannter Musikstar ist, er also eine große Fanbase hat.
Im Grunde ist das System, welches bei Tidal geplant ist, dem System der GEMA in gewisser Weise ähnlich. Bekannte Stars und Hitlieferanten greifen den Löwenanteil ab, für die breite Masse der Interpreten bleibt, wie bei der GEMA, lediglich ein Handgeld in Taschengeldumfang.
Tidal ist, so wie wir das sehen, ein Abkassierungsmodell einiger Superstars, deren Exklusiv-Inhalte ausreichend Nachfrage generieren können, bei dem ‚die anderen‘, die 98% Nicht-, oder Mini-Stars bzw. Newcomer, freundlicherweise aber auch geduldet werden (ohne jedoch am möglichen Gewinn beteiligt zu werden).

Jay-Z liess ausserdem wissen, dass bei Tidal abgespielte Musikstücke ‚höher vergütet werden sollen‘, als bei Konkurrenzdiensten (z.B. Spotify). Ein leitender Angestellter von Tidal meinte, dass Tidal ‚mehr pro Abspielung an Tantiemen zahlen will‘, als die werbefinanzierte ‚freie‘ Version von Spotify je gewertetem Abspielungsvorgang derzeit bezahlt. Im Umkehrschluss nehmen wir an, dass Tidal weniger je Abspielung zahlen will, als Spotify in der kostenpflichtigen Aboversion je Song an Abspielgebühr an die Urheberrechtsinbhaber/Interpreten überweist.
Über die konkrete Höhe der Vergütungen die Tidal bezahlen will herrscht jedoch Schweigen im Walde.
Die Behauptung Tidal würde signifikant, oder wenigstens minimal höhere Vergütungen an die Urheber überweisen wollen, muss daher als dreistes Märchen bewertet werden. Wer so etwas behauptet und dann keine Fakten diesbezüglich auf den Tisch legt ist schlichtweg ein Märchenerzähler, wie er im Buche steht.

In der US Musikwirtschaft herrscht denn auch Skepsis über die Erfolgsaussichten von Tidal. Der mit einem Marktanteil von weltweit fast 50% den Musikmarkt beherrschende Musikkonzern Universal Music ließ wissen, dass Konkurrenz auf dem Markt der Streamingdienste ‚willkommen‘ sei. Ein Spotify Sprecher teilte mit, dass seine Firma meint, dass Musiker dort sein wollen ‚wo die Konsumenten sind‘ und das wäre eben bei Spotify und nicht woanders.

Wir meinen, dass Tidal schlicht nur ein weiterer Abo-Streamingdienst ist. Ob es ausreichend viele Konsumenten gibt, die 20€ PRO MONAT bezahlen wollen, nur um bessere Tonqualität und ein paar Exclusives zu erhalten, ist unserer Einschätzung nach fraglich. 100% Aufschlag dafür erscheint uns mehr als saftig. Was die Exklusiv-Inhalte betrifft ist es so, dass hier immer nur ein begrenztes Nachfragepotential besteht. Zielgruppe sind jeweils die Fans eines Musikstars.

Wir meinen die Verbreitung von exklusiv Inhalten von Leuten, die durch die Verbreitung von Gratis-Inhalten erst richtig bekannt geworden sind, für höchst fragwürdig.
Wir glauben zudem , dass sich 16 schwerreiche Musikstars nicht hinstellen und den Anspruch erheben können für ‚alle Künstler‘ zu sprechen. Das deutet auf Selbstüberschätzung hin. Diese 16 verfolgen ihre eigenen kommerziellen Ziele, die sicher nicht deckungsgleich mit denen sind, die die große Masse der ‚wenig bekannten‘ Künstler haben. Mal ganz zu schweigen von den Komponisten und Textern.

Im Endeffekt bleibt eins zu konstatieren: die 16 Musikstars, die bei Tidal Mit-Eigentümer sind, wollen höhere monatliche Abo-Gebühren auf Kosten der Konsumenten durchdrücken, da ihnen die wichtige Säule Album Einnahmen wegbricht. Lockmittel sind dabei ‚exklusive Inhalte‚. So siehts aus. Nichts anderes als ‚mehr Geld her‘ ist das Ziel.

Nebenbei bemerkt wird Tidal große Anstrengungen (und entsprechende Geldmittel) darauf verwenden müssen, dass bei Tidal als exklusiv gemarkte Inhalte nicht ‚ins freie Internet‘ leaken.
Wir fragen uns natürlich, warum diese 16 Stars nicht eine eigene Plattenfirma, sondern stattdessen einen Streamingdienst gründen. Als Plattenfirma hätten sie die Möglichkeit mit Streamingdiensten Verträge zu ihren Gunsten auszuhandeln. Sie könnten mit ihrer Plattenfirma massenweise junge Talente fördern. Das ist aber mit großem finanziellen Risiko verbunden.
Stattdessen wollen sie die bei anderen Diensten erfolgreich aufgestiegenen Künstler abwerben und für sich kommerziell ‚ausbeuten‘, allerdings mit dem Zusatz ‚wir zahlen Dir 10% mehr‘, oder so.

Sachlich betrachtet ist an Tidal gar nichts Neues dran.
Die intransparenten Eigentumsverhältnisse sind interessant. Die sind aber eigentlich gar nicht relevant. Es geht ja auch bei Tidal hauptsächlich um Populär-Musik. Die wird dort zum gleichen Preis als Abo verkauft, wie überall anders auch, allerdings mit der Option, dass man noch das doppelte für leicht bessere Tonqualität ausgeben kann, wenn man das als Kunde will. Populär Musik die nur noch einem kleinen Kreis exklusiv zu Gehör kommt, das soll revolutionär sein? Da lachen die Hühner aber ganz laut. Das ist doch kaum was anderes wie die ‚Buchclub‘-Masche.

Als geradezu frech muss man Aufforderungen einiger der 16 Star-Eigentümer von Tidal einstufen, die ihre Follower auf sozialen Netzwerken dazu aufgerufen haben ihre persönlichen Avatars mit der Farbe ‚Blau‘ zu füllen, um so ihre Verbundenheit mit der Tidal-Eigentümerschaft ihres Stars zu bekunden. Da muss man sich schon fragen, ob die noch alle Tassen im Schrank haben.

Zuguterletzt möchten wir ganz am Rande darauf hinweisen, dass Tidal im Grunde auch so etwas wie ein Angriff auf unsere Webseite ist, die zu einem nicht unerheblichen Teil von der Verbreitung von Gratis-Musikvideos ‚lebt‘. Diese 16 Top Stars wollen anscheinend nicht mehr, dass ihre Musik-Videos werbefinanziert gratis verbreitet werden dürfen. Unsere Begeisterung darüber liegt verständlicherweise bei Null.

Im Internet erleben diese 16 Stars derzeit denn auch einen ordentlichen Shitstorm
wir zitieren
‚da only difference it makes is for the mega rich to get bloody richer!!‘ (dt: ‚der einzige Unterschied ist, das macht die Megareichen noch verdammt reicher‘)
‚Bunch of crap… Another propaganda to entice and extract money from general masses. Who buys this crap?‘ (dt: Misthaufen, wieder ne Propaganda um der Masse Gelkd abzuziehe. Wer glaubt diesen Mist?‘)
‚I am one of your biggest fans, Madonna, but I am sick of hearing you complain about money and not getting paid. You are one of the richest people in the music industry. You charge upwards of $500-$1000 for a seat at one of your damn concerts…This wannabe Mother Theresa in a g-string image is not working for you…‘ (dt: ‚Ich habe es satt, dass sich Leute über Geld und zu geringe Bezahlung beschweren. Du bist einer der reichsten Personen in der Musikindustrie. Du verlangst 500$ bis 1000$ für einen Sitz in einem deiner verdammten Konzerte…die Pseudo Mutter Theresa im G-String, das bringt es für dich nicht…‘)

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Erik
Erik
8. April 2015 19:34

Das schlimme ist ja das es dort teilweise Exklusiv Angebote gibt – neues Madonna Video, Rihanna Video und Song… Jay Z hat für diesen alten Laden aus Schweden läppische 50 Millionen Dollar gezahlt.. ein Witz… Der laden von Dr Dre ging für über 3 Milliarden weg.. das war also geradezu ein Schnäppchen

Erik
Erik
7. April 2015 12:22

Nur für Dich Chris, hier der link:
https://www.youtube.com/watch?v=NR8q1l6Cpko
Lena war nicht dabei, Graham Norton kann die nicht leiden und er hat sie schon während den Übertragungen immer gedisst.
Wunderbar Nicole mit A little peace, ihr grosser moment, sie hatte Tränen in den Augen.

chris
chris
4. April 2015 09:48

mist!! total verpasst!

aber gibts sicher nachträglich zu sehen

Erik
Erik
4. April 2015 01:56

Das war ne geile Eurovision Sendung der bbc / 60 Jahre Eurovision